Was meine Angst zu versagen mit der Anzahl der Follower*innen zu tun hatte

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Im Jahr 2009 habe ich mich bei Facebook angemeldet, davor war ich bei Studi-VZ. Damals ging es vor allem darum sich mit Freund*innen und mit Bekannten zu vernetzen. Man hat Leute „von früher“ (ich war damals Anfang zwanzig) wieder entdeckt und mit ihnen geschrieben. WhatsApp gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich habe vielleicht ein paar Bilder von meinem Urlaub am Bodensee gepostet oder hin und wieder das Profilbild gewechselt, das war’s dann auch schon.  

Ich weiß gar nicht so genau, wann sich etwas für mich geändert hatte. Vielleicht war es ein schleichender Prozess? Plötzlich nutzte ich soziale Netzwerke nicht nur um mich mit jenen Menschen aus meinem nahen und fernen Umfeld zu vernetzen und mit ihnen zu kommunizieren, sondern auch um mich zu informieren. Ich entdeckte Blogs und Online-Magazine und sie zogen mich in ihren Bann. Täglich habe ich ihren Content konsumiert und hatte irgendwann meine Stammplätze im Netz gefunden. Innerhalb kurzer Zeit wuchsen sämtliche Blogs aus dem Erdboden heraus und ich hatte das Gefühl jede*r möchte sich irgendwie im Netz einen Namen machen. Wir alle haben von jenen ganz „normalen“ Menschen mitbekommen, die scheinbar aus dem Nichts bekannt wurden und viel Geld mit ihren Internetauftritten verdienten.

Seltsamerweise (oder vielleicht glücklicherweise) hatte ich nie die Idee mein Geld im Internet zu verdienen. Zumindest nicht im Sinne eines Hauptberufes, dafür bedeutet mir meine Arbeit zu viel und ich habe eine ganz genaue Vorstellung wo ich beruflich hin möchte. Doch das Schreiben war und ist ein wichtiges Thema in meinem Leben. Und so pflanzte sich die Idee in meinen Kopf einen Blog zu gründen. Diese Idee hatte sich schließlich so fix angefühlt, dass sie so schnell wie möglich umgesetzt werden musste. Ja, ich bin mit fixen Ideen immer ganz schnell dabei und sehr ungeduldig. Für mein Umfeld ist das nicht immer einfach auszuhalten. Nachdem meine Homepage innerhalb von nicht einmal zwei Tagen erstellt war, tippte ich in die Tasten um möglichst schnell, möglichst viele Texte auf dem Blog stehen zu haben. Es sollte ja so aussehen, als sei auf meiner Homepage viel los. Ich kenne es ja von mir selber: Ich stöbere gerne auf jenen Seiten, bei denen es möglichst viel zu entdecken gibt.

In der Retrospektive – damals war mir das nicht bewusst – hatte ich große Angst zu versagen. Zu versagen würde bedeuten, dass meine Artikel nicht gelesen oder geteilt werden. Denn dies wäre ein Zeichen von schlechter Qualität, so meine Auffassung. Doch dass es eher „normal“ ist und die Regel darstellt, wenn die eigenen Blogartikel nicht die große Reichweite erzielen, wie die von schon bekannten und etablierten Autor*innen, Journalist*innen oder Influencer*innen, ist mir gar nicht in den Sinn gekommen. Stattdessen wurden mir Tipps und Tricks um die Ohren gehauen, wie ich meinen Blog bekannt machen, oder wie ich auf meinen Social-Media Kanälen wachsen kann. Ja, ich habe einige (okay, viele) dieser Tipps angewendet und was hat es gebracht? Nichts, außer Frust und das Gefühl zu versagen, sowie nicht gut genug zu sein. Mit jedem Artikel, den ich auf dem Blog veröffentlicht habe, ging auch die Erfahrung einher von der großen Masse nicht gesehen und wahrgenommen zu werden. Diese Erfahrung sollte mir suggerieren, dass ich es nicht wert bin beachtet zu werden und dass ich noch mehr an mir und den Content-Strategien arbeiten müsste.

Einer jener „Tipps für den garantierten Erfolg“ war, dass ich mich bei größeren Accounts vorstellen sollte. Viele Stunden habe ich damit verbracht persönliche Nachrichten an Blogger*innen zu schreiben, um vorsichtig Kontakt aufzunehmen. Dabei wollte ich auf keinen Fall zu stürmisch rüberkommen oder gar den Eindruck erwecken, als möchte ich ihnen ihren Platz streitig machen wollen. An den passenden Formulierungen feilte ich gefühlt eine Ewigkeit, denn – wie gesagt –  ich wollte ja einen guten Eindruck hinterlassen. Von den allermeisten Blogger*innen, die ich angeschrieben habe, kam keine Antwort. Manche schrieben zurück, sie würden sich mal auf meiner Seite „umschauen“ und irgendwie hatte ich es im Gefühl, dass sie es nicht tun würden.

Ein anderer Ratschlag war, ich solle Gastartikel für bereits bekannte Blogger*innen schreiben. Diese haben ja schon eine Community aufgebaut und ich könnte mich auf diese Weise besser etablieren. Auch diesem Tipp bin ich gefolgt und habe erstmal viele Stunden damit verbracht Anfragen zu versenden. Auf meine Anfragen kamen häufig keine Reaktionen oder direkte Absagen. Mit einigen wenigen stand ich schließlich in einem Austausch und ich schrieb für eine Bloggerin zwei Gastbeiträge. Die spannende Frage ist nun: Wurde ihre Community auf mich aufmerksam? Ich mache es kurz: Nein. Stattdessen habe ich eine ganz blöde Erfahrung mit einer anderen Bloggerin in diesem Zusammenhang gemacht. Es trug sich wie folgt zu:

Ich schrieb für die Bloggerin „yy“ einen Gastbeitrag. Sie hat sowohl bei Facebook als auch bei Instagram eine relativ hohe Anzahl an Follower*innen. Die Bloggerin hatte zwar meinen Beitrag auf ihrer Seite als Gastbeitrag markiert und mich (sowie meine Social-Media Kanäle) verlinkt, aber das war so nebensächlich dargestellt, dass es schnell zu übersehen war. Eine andere Bloggerin „xx“ (ebenfalls mit einer hohen Anzahl an Follower*innen) hatte dann besagten Beitrag (den ich für „yy“ geschrieben habe) auf ihrer Social-Media Seite geteilt und auf den Blog ihrer wohl guten Freundin („yy“) verwiesen. Man könnte nun sagen: Ja, natürlich ist mein Artikel auf dem Blog von „yy“ zu finden und, wie bereits erwähnt, als ein Gastbeitrag mit Verlinkung zu mir als Autorin markiert. Wo ist also mein verdammtes Problem? Mein „Problem“ war, dass genau diese Tatsache nicht ersichtlich war. Vor allem nicht bei jener Bloggerin „xx“ – sie hatte den Beitrag so angekündigt, als sei er das Produkt ihrer guten Freundin. Also schrieb ich folgende persönliche Nachricht:

„Liebe xx, vielen Dank, dass du meinen Text, den ich für yy und ihren Blog geschrieben habe, geteilt hast. Habe mich sehr darüber gefreut Für mich wäre es nur wichtig, dass ich als Autorin und Urheberin des Artikels in deinem Post erwähnt werde – das wäre super und ich danke dir schon mal im Voraus. Ganz Liebe Grüße Sandra“

Ihre Antwort:

„Du bist ja im Blogpost verlinkt, oder?“

Nach dieser Nachricht fühlte ich mich richtig schlecht. Und was habe ich getan? Ich habe mich selbst zurechtgewiesen, einen inneren Monolog geführt und mir ins Gewissen geredet: Dass ich mich gefälligst nicht für allzu wichtig nehmen sollte. Ich sollte stattdessen froh sein, dass ich überhaupt einen Artikel schreiben durfte und nicht so überheblich daherkommen. Plötzlich war es mir peinlich darauf bestanden zu haben, mich als Autorin zu verlinken. Es kam mir fast schon grotesk vor. Ich wollte nicht so rüberkommen. Geantwortet habe ich übrigens nicht mehr. Ich habe es so stehen lassen. Diese Erfahrung hat etwas mit mir gemacht und mich vorsichtig werden lassen.

Rückblickend habe ich mich sehr unter Druck gesetzt, weil ich dachte, ich müsste mir einen bestimmten Platz ergattern. Wenn man im Netz nicht aufpasst, sind Gefühle wie Neid und Missgunst nicht weit weg. Sie werden schnell geschürt. Glücklicherweise hatte ich noch nie wirklich ein Problem damit anderen Menschen etwas zu gönnen. Ich kann mich für sie und ihre Erfolge freuen und feiere sie auch. Genauso wie ich einigen größeren Accounts folge und die Menschen dahinter schätze. Womit ich aber schon immer meine Schwierigkeiten habe ist, dass ich Ungerechtigkeit nicht ertragen kann. Und ich habe sie gesehen, gespürt und beobachtet. Soziale Netzwerke können wirklich asozial sein, denn auch dort gibt es Strukturen der Ausgrenzung und Vernichtung.

Jene Dynamik und die Suggestion, dass in den sozialen Netzwerken jede*r erfolgreich sein kann, empfinde ich als sehr gefährlich. Ich kann mir vorstellen, dass einige Menschen daran zerbrechen und in Krisen geraten. Die Strukturen im Netz sind ähnlich wie im analogen Leben auch, denn auch hier gelten die Regeln von Neoliberalismus und Kapitalismus. Es kommt nicht unbedingt darauf an, ob eine Person qualitativ sehr guten Content produziert und sie damit „Erfolg“ hat. Vielmehr spielen Privilegien eine entscheidende Rolle. Natürlich gibt es Ausnahmen und ich habe zumindest ein bisschen das Gefühl, dass marginalisierte Stimmen auch gehört werden – wobei da noch viel Luft nach oben ist.

Mittlerweile habe ich meinen Umgang und meine Ziele in den sozialen Netzwerken gut reflektiert und hinterfragt. Ich mache mir keinen Druck mehr regelmäßig Beiträge oder Stories zu erstellen, sondern tue es dann, wenn ich Zeit und Lust habe. Wohlwissend, dass der Algorithmus mich abstraft und Follower*innen verschwinden. Ich bin fein damit, dass meine Texte „nur“ (das soll nicht abwertend klingen) von wenigen Menschen gelesen und / oder kommentiert bzw. geteilt werden. Ich habe verstanden, dass es in erster Linie nichts mit der Qualität zu tun hat, sondern mit den Strukturen im Netz. Ich merke auch, dass ich aktuell wieder mehr Lust habe längere Texte zu schreiben, „richtig“ zu bloggen, ganz ohne Begrenzung und den Druck auf der Social-Media Plattform Herzchen zu ergattern. Außerdem ist das ja „nur“ ein Hobby, nichts womit ich aktuell Geld verdiene. Ich habe übrigens großen Respekt vor jenen, die damit ihr Geld verdienen. Wichtig ist mir auch an dieser Stelle zu sagen, dass Influencer*innen, Blogger*innen, Autor*innen, die eine große Reichweite haben, generell nicht abzuwerten sind. Neben meinen geschilderten Erfahrungen habe ich zu einigen wenigen Kontakt, die sehr viele Abonnent*innen zu verzeichnen haben und die meines Erachtens hochwertigen Content produzieren. Ihnen pauschal zu unterstellen, sie seien arrogant oder sie würden Ausgrenzung betreiben, ist nicht richtig. Es sind die Graustufen dazwischen, die das Bild ausmachen – wie so oft im Leben gibt es eben nicht nur schwarz und weiß

Ich liebe es einfach zu schreiben und mich zu vernetzen. Jener Druck, den ich anfangs verspürte, ist heute verschwunden. Ich lese auch keine Tipps mehr, wie man „erfolgreich“ einen Blog oder eine Homepage betreibt. Erstens habe ich vieles ausprobiert und es hat wirklich nichts gebracht und zweitens habe ich diese Ambition gar nicht mehr. Und seitdem ich nicht mehr nach Follower*innen strebe – so wie es mir einst suggeriert wurde, dass ich dies tun sollte-, sondern danach, dass Menschen ehrlich und ernsthaft an dem interessiert sind, was ich schreibe, geht es mir deutlich besser. Ich orientiere mich nicht mehr an der Idee Erfolg sei messbar an der Anzahl meiner Followerschaft. Für mich ist es heute ein Erfolg, wenn ich einen Text schreibe. Allein das fühlt sich gut an und löst in mir (wieder) Glücksgefühle aus. Ich möchte mich nicht qualitativ an der Anzahl meiner Leser*innen definieren.

Schreiben bedeutet mir viel. Und manchmal habe ich Angst mit meinen Texten raus zu gehen. Vieles halte ich (noch) zurück. Ich möchte diese Homepage mit Texten füllen und ihn auch zu einem Ort für andere Menschen machen. Dieser Ort ist nicht perfekt, er wird es auch nie sein. Ich taste mich noch immer vor wie ich ihn gestalten möchte, denn ich habe kein ausgearbeitetes Konzept. Und manchmal werde ich Ideen wieder verwerfen und ich werde mich mit der Zeit (weiter)entwickeln. Alles darf sein. Ein Projekt möchte ich gerne ausprobieren. Es ist etwas, das ich schon lange im Kopf habe: Ich möchte einen kostenfreien Newsletter versenden. Darin teile ich mit euch Texte, die nicht auf der Homepage frei zur Verfügung stehen und werde euch regelmäßig meine Lieblingsbücher vorstellen.

Ja, ich bin heute fein mit mir, meiner Arbeit und mit dem was ich tue.

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